Gusen

Vernichtung

Die Massenvernichtung von Häftlingen im Lager Gusen

Seite aus dem Totenbuch des Häftlingsreviers Gusen 22.4.1945. Die Opfer der Vergasungsaktionen in Block 31 wurden als „natürliche“ Todesfälle getarnt. (KZ-Gedenkstätte Mauthausen / Sammlungen)Seite aus dem Totenbuch des Häftlingsreviers Gusen 22.4.1945. Die Opfer der Vergasungsaktionen in Block 31 wurden als „natürliche“ Todesfälle getarnt. (KZ-Gedenkstätte Mauthausen / Sammlungen)Das Doppellager Mauthausen/Gusen wurde 1940 in die „Lagerstufe III“ eingeteilt, welche für „kaum noch erziehbare Schutzhäftlinge“ vorgesehen war. Häftlinge, die in diese Konzentrationslager eingewiesen wurden, hatten nur geringe Überlebenschancen.

Das Konzentrationslager Gusen hatte daher bis 1942 vor allem die Funktion eines „Mordlagers“, in dem aus politischen und rassistischen Gründen Verfolgte umgebracht wurden. 

Die gezielte Massenvernichtung von Häftlingen durchlief Phasen unterschiedlicher Intensität, die mit dem Kriegsverlauf, der Einlieferung bestimmter Häftlingsgruppen sowie mit der später forcierten Ausnutzung der Häftlinge als Arbeitssklaven für die Rüstungsindustrie zusammenhingen.  

Unter der Tarnbezeichnung „Aktion 14f13“ wurden Häftlinge aus Mauthausen und Gusen im Schloss Hartheim durch Giftgas ermordet. Ab Juli 1941 suchte eine Ärztekommission Häftlinge für den „Gnadentod“ aus. Am 14. August 1941 wurden die ersten Häftlinge nach Hartheim gebracht. Nach einer kurzzeitigen Unterbrechung Ende August erfolgten neuerliche Transporte im Dezember 1941 und im Februar 1942. Als die Zahl der Kranken im Lager wieder anstieg, begannen am 11. April 1944 die Todesfahrten erneut. Insgesamt wurden an die 2.000 Gusener Häftlinge in Hartheim vergast. 

SS und willfährige Funktionshäftlinge ermordeten ab Herbst 1941 Arbeitsunfähige und Kranke im Rahmen von sogenannten „Totbadeaktionen“. Bis zu 300 Häftlinge wurden eiskaltem Wasser ausgesetzt. Sie starben sofort oder ertranken in dem Wasser, das sich im Betonbecken sammelte. Häftlinge, die diese Tortur überstanden, starben in den folgenden Tagen an Lungenentzündung. Die genaue Zahl der Opfer ist nicht bekannt. 

Zwei Tötungsaktionen von Häftlingen durch Giftgas in den Baracken sind durch gerichtliche Aussagen belegt. Es gibt Hinweise auf weitere Vergasungen in Gusen, doch fehlen dazu entsprechende konkrete Dokumente und Zeugenaussagen. Nach dem Ausbruch von Flecktyphus wurde eine Lagerdesinfektion angeordnet. Häftlinge sowie der Firmeninhaber und ein Mitarbeiter der damit beauftragten Linzer Firma Slupetzky führten am 2. März 1942 eine Entwesungsaktion in allen Baracken mit Zyklon B-Gas durch. Die kranken sowjetische Häftlinge im Block 16 wurden während dieser Aktion am Verlassen der Baracke gehindert und durch das Gas erstickt. 

Am 20. April 1945 befahl der Lagerführer Seidler alle schwerkranken und arbeitsunfähigen Häftlinge in den Block 31 des Krankenreviers zu bringen und sie dort mit Gas zu töten. Der Kapo des Desinfektionskommandos Rudolf Fiegl führte vom 21. auf den 22. April 1945 die Vergasung in zwei Etappen durch. Die Opfer wurden an zwei Tagen als „verstorben“ gemeldet. Es sind mindestens 684 Häftlinge mittels Zyklon B-Gas ermordet worden. 

Ab Ende 1942 und im Jahr 1943 gab es mehrere Tötungsaktionen in einem speziellen Gaswagen, der zwischen den Lagern Mauthausen und Gusen pendelte. Jeweils rund 30 zumeist kranke Häftlinge wurden in den luftdichten Laderaum gesperrt, in den während der Fahrt entweder die Motorabgase oder Zyklon B-Gas eingeleitet wurde. Vermutlich wurden in diesem Zeitraum mindestens 900 Häftlinge aus beiden Konzentrationslagern auf diese Art ermordet. 

Opfer der Massenmorde waren vorrangig arbeitsunfähige und kranke Häftlinge. Wie sehr das Leben eines Häftlings gefährdet war, hing auch davon ab, welcher Häftlingsgruppe er zugerechnet wurde. Zunächst richteten sich Mordaktionen vornehmlich gegen Mitglieder der polnischen Intelligenz und gegen Republikanische Spanier. Ab Herbst 1941 zählten die sowjetischen Kriegsgefangenen zu den am meisten von der Vernichtung bedrohten Häftlingsgruppen. Durchgehend am schlechtesten gestellt waren die jüdischen Häftlinge.  

Die SS-Lagerführung vernichtete knapp vor Kriegsende Unterlagen jeder Art. Häftlingen gelang es jedoch, Lagerdokumente beiseite zu schaffen und zu verstecken. Fotografische Beweise oder explizite Dokumente für die Massentötungen von Häftlingen in Gusen gibt es nicht. Durch die Vorbereitung der Anklage und durch die Aussagen von Zeugen in den Prozessen gegen die Täter wurden Beweise für die mörderische Praxis gesammelt. Erst diese Zeugenaussagen und die Erinnerungsberichte der Häftlinge enttarnten die erhaltenen Dokumente als Spuren arbeitsteilig organisierter Massenmorde.