Gusen

Erzieherische Maßnahmen

Leichen verstorbener Häftlinge werden von der lokalen Bevölkerung auf Pferdekarren abtransortiert, 8. Mai 1945. (Foto: U.S. Signal Corps Fotos; Courtesy of NARA)Leichen verstorbener Häftlinge werden von der lokalen Bevölkerung auf Pferdekarren abtransortiert, 8. Mai 1945. (Foto: U.S. Signal Corps Fotos; Courtesy of NARA)In vielen befreiten Konzentrationslagern wurde seitens der Alliierten die lokale Bevölkerung unter Zwang für die Aufräumarbeiten und die Betreuung der Überlebenden eingesetzt. Zum einen geschah dies aufgrund der akuten Notlage. Zum anderen sollten im Sinne der von den Alliierten Kommandostäben propagierten Reeducation den Deutschen und Österreichern systematisch die Konsequenzen ihrer – vermeintlichen oder tatsächlichen – politischen Loyalitäten vor Augen geführt werden.

In Gusen forderte der US-Lagerkommandant Keach beim Bürgermeister mehrere Hundert Zivilisten zum Ausheben von Massengräbern, zur Durchführung von Aufräumarbeiten sowie zur Verbesserung der allgemeinen sanitären Lage an. Am 8. Mai 1945 trat die Ortsbevölkerung über 12 Jahre zum Arbeitseinsatz im befreiten Lager Gusen an. Es war die erste direkte Konfrontation mit den Folgen von Ereignissen, die sich über Jahre hinweg in unmittelbarer Umgebung abgespielt hatten.

Wehrmachtssoldaten beim Ausheben von Massengräbern; neben der lokalen Bevölkerung wurden auch deutsche Kriegsgefangene zur Beerdigung der Toten des Konzentrationslagers Gusen eingesetzt. (Foto: US Signal Corps Foto, Courtesy of USHMM, Washington)Wehrmachtssoldaten beim Ausheben von Massengräbern; neben der lokalen Bevölkerung wurden auch deutsche Kriegsgefangene zur Beerdigung der Toten des Konzentrationslagers Gusen eingesetzt. (Foto: US Signal Corps Foto, Courtesy of USHMM, Washington)„Ich glaube, eines der schockierendsten Dinge war die Gleichgültigkeit der zivilen Bevölkerung dem gegenüber, was im Lager vorgefallen war. Als die Leichen aus der Gaskammer gebracht und jene, die tot auf den Lagerstraßen herumlagern, abtransportiert wurden, ging ich in die Stadt und holte die gesamte männliche Bevölkerung, die alt oder jung genug war, um körperliche Arbeit zu verrichten, um Wägen zu bringen, Schubkarren oder was immer Sie hatten, um die Leichen abzutransportieren. Zur selben Zeit wurden die weibliche Bevölkerung und die Kinder geholt, damit sie sähen, was im Lager geschehen war."

Auszug aus: Interview mit Reginald Ashby, ehemaliger Staff Sergeant im 21. Infanteriebataillon der 11th Armored Division Panzerdivision (USHMM, Washington)

“Liebe Lillie, ich schreibe dir diesen Brief hauptsächlich, um mir etwas vom Herzen zu reden und auch um dir eine Vorstellung davon zu vermitteln, wie manche Menschen unter der Herrschaft des Nationalsozialismus zu leben hatten. […] Letztens besuchte ich eines dieser Konzentrationslager, von denen wir schon oft gehört hatten. Alles, was ich dir erzähle, ist die Wahrheit, weil ich selbst alles persönlich gesehen habe. Jeder Soldat hier sollte diesen Ort besuchen. Ich glaube nicht, dass irgendjemand diese schrecklichen Bilder jemals vergessen könnte.

[…] Hier wurden Menschen aller Nationalitäten gefangen gehalten, von Russen bis Spaniern. Sie erzählten uns von unbegreiflichen Dingen. Sobald wir den Jeep geparkt hatten drängten sich alle diese geisterhaften Figuren um uns. Sie wollten Nahrung, Wasser, Zigaretten. […].

Ich machte einige Fotos von Ihnen, für die sie gerne posierten. Es war ein warmer Tag, und der furchtbare Gestank von diesen angeblichen Menschen machte es unerträglich, sich zu lange dort aufzuhalten. […]

[…] Es gibt noch viel mehr, das ich gesehen habe, aber ich glaube, dass du mittlerweile wohl genug hast. Jetzt weißt du, warum wir gegen die Deutschen gekämpft haben […]“

Brief des US-Soldaten Luis Cernjar an seine Frau, 9. Mai 1945. (Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands, Wien)Brief des US-Soldaten Luis Cernjar an seine Frau, 9. Mai 1945. (Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands, Wien)Auszug aus einem Brief des US-Soldaten Louis Cernjar von der 11th Armored Division an seine Familie, verfasst am 9. Mai 1945 (Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, Wien)